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Vorwort

"Il n'y a que les details qui comptent." (Französisches Sprichwort)

" Wir sehen, wie das eine aus dem anderen hervorwächst, eines ohne das andere nicht bestehen kann, jedoch jedes für sich wieder ein Ganzes bildet. " (Anton Bruckner aus der Antrittsvorlesung für die Wiener Universität. 25. November 1875)

Von der Erkenntnis geleitet, dass dem Einzelnen in der Musik Anton Bruckners (1824-1896) das Merkmal des Einmaligen in besonders hohem Maße zukommt, macht sich dieses Buch zur Aufgabe, das Individuelle in den Brennpunkt der Betrachtung zu rücken. Es wird zu zeigen sein, wie das Einzelne vor dem geschichtlichen Hintergrund als bezeugtes Faktum in Erscheinung tritt und mit dem Allgemeinen eine umgreifen Einheit bildet. Anschaulich umgrenzt und in sich eine abgeschlossene Einheit bildend, wird sich das Einzelne bei Bruckner als Gestalt ausweisen lassen, die in der jeweils gemeinten Einheit eine Gesetzlichkeit des Aufbaues darstellt und gleichzeitig einen geistig-seelischen Sinngehalt zum Ausdruck kommen lässt, der in der ästhetischen Erfahrung als psychischer Erlebnisakt wahrgenommen wird. Weil es von Bruckners Gestalten eine Geschichte in dem doppelten Sinne von Kunde und Beschreibung gibt, werden sie insofern zum Gegenstand der Wissenschaft, als ihnen der Status des Expliziten und der Verstehbarkeit zukommt. In ihrem geschichtlichen Gegebensein offenbaren sich Bruckners Gestalten darüber hinaus als Ausdruckskonstanten unwandelbar fest gefügter Kategorien, deren Entstehung sich der Polygenese verdankt. Archaischen Urbildern gleich, tauchen sie als unverbrauchte Tonvoi aus der Historie vejüngt wieder auf und werden als angeborene Ordnungsschemata zu Archetypen. Im Sinne der ganzheitspsychologischen Schule wollen Bruckners Archetypen als "ausgezeichnete Gestalten" verstanden sein, die "im Voraus vorhanden", in glücklichen Momenten schöpferischen Tuns bewusst werden. Die Entstehung der archetypischen Einzelgestalten bei Bruckner verdankt sich jenen elementaren dynamischen Prinzipien, jenen Kräften und Bedingungen, die dem erkennbaren Geist eines jeden gegeben sind. Die Erhaltung dieser archetypischen Dynamik, wie sie sich in der Musikgeschichte widerspiegelt, wird den Vergleich der Brucknerschen archetypischen Gestalten mit jenen anderer Meister und Epochen angebracht erscheinen lassen. Somit wird ein Schreiben über die essenziellen Einzelzüge der Musik Anton Bruckners ein Schreiben über Musik schlechthin. Für die uneingeschränkte und freundliche Bereitschaft, die vorliegende Arbeit in die verdienstvolle Reihe "Musikgeschichtliche Studien" aufzunehmen, gilt meinem Verleger, Herrn Horst Gehann, mein ausdrücklicher Dank. Desgleichen gebührt ein solcher Angie und Mario BiH sowie der HOG Kronstadt für die Förderung dieses Projektes, für das Peter Szaunig, Werner Knall und Hans Georg von Killyen ihr tatkräftiges Interesse bekundet haben. Schließlich möchte ich mich auch herzlich für das aufmerksame Korrekturlesen bedanken, das Dr. Matthias Thiemel und Dr. Richard Reschika gerne auf sich genommen haben. Nicht unerwähnt soll dabei bleiben, dass manch anregender Gedankenaustausch, ennutigender Ansporn, dieses Buch zu schreiben, und wertvolle Quellenhinweise ich ineinem lieben Sohn Richard zu verdanken habe.

Rudolf Franz Reschika

Freiburg im Breisgau in der "Sapienz", Juli 2006